Rundbrief im November 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Ende des Jahres 2019 von einer infektiösen Viruserkrankung im fernen Chi-na berichtet wurde und wir mit der Aussage: „Wir können sie beruhigen, es handelt sich um eine Epidemie, wie sie in China doch häufig vorkommt“, waren wir weit davon entfernt uns zu sorgen. Wenige Wochen später wurde die Epi-demie zur Pandemie, die rasend schnell die gesamte Welt in Beschlag nahm und es ist anzunehmen, dass sie vielleicht zum Bestandsteil unseres Lebens wird. Wir werden mit verschiedenen Viruserkrankungen und ihren Mutationen leben müs-sen.
Die kleine Pflasterstube muss sich so weit wie möglich darauf einstellen. Auch uns bleibt nichts anderes übrig als immer wieder an Masken und Hygienemaß-nahmen wie ausgiebiges Händewaschen, Lüften und Abstand von 1,5 Metern einhalten, zu erinnern. Von einer eventuellen Impfung soll zum jetzigen Zeit-punkt noch nicht geredet werden. Und das wird alles sein, was uns bei der Be-kämpfung eines so gefährlichen, sogar tödlichen Virus, bleibt. Man könnte mei-nen, dies wäre sehr leicht zu beherzigen. Überaschenderweise sehen wir wie dis-zipliniert diese Maßnahmen von unseren Patienten, die volles Verständnis dafür zeigen, akzeptiert werden. Schwierigkeiten gibt es beim Einhalten des nötigen Abstandes. „Es liegt in der Natur der Sache, dass Abstände in den Unterkünften nicht immer beachtet werden können“ (Antwort des Gesundheitsamtes vom 14.08.2020 auf unsere Anfrage über das weitere Procedere).

Erschwerend wird sich sicher der im Rahmen der Schutzmaßnahmen notwendi-ge Aufnahmestopp in den Einrichtungen erweisen. Beim Erfrierungsschutz be-deutet die Begrenzung unter Corona Maßnahmen auf Zwei- und Einbettzimmer insgesamt nur 18 Betten. Der Winter steht vor der Tür. Früher konnten Men-schen von der Straße, die Kälteschutz suchten, in vorgehaltenen Notbelegungen aufgefangen werden. Das fällt nun weg. Die Anzahl obdachloser Menschen auf der Straße und unser Arbeitsaufwand werden zunehmen.

Um unsere Mitarbeiterinnen und die ehrenamtlichen Ärzte zu schützen, haben wir ihnen teure Schutzkleidung und medizinische Masken besorgt. Trotzdem bleibt hier ein großes Risiko. Die Ärzte, die uns ehrenamtlich helfen, gehören alters-mäßig ja zur Hochrisikogruppe. Dass Frau Dr. Hillenbrand, Herr Dr. Aymanns, Herr Dr. John, Herr Dr. Schwab und Herr Dr. Vogel sich trotzdem um die Ge-sundheit der Obdachlosen kümmern, erfüllt uns mit großer Hochachtung. Da aber auf längere Sicht gerechnet werden muss, dass sie ihre Arbeit für die Pflas-terstube beenden, wäre es schön und wichtig, wenn weitere Ärzte hinzukämen.

Neben diesen Maßnahmen müssen wir die uns verbleibenden diagnostischen Möglichkeiten verstärken, um eine Infektion schon rechtzeitig festzustellen und sie von Erkältungserkrankungen abzugrenzen. Bei Unsicherheiten werden wir auch eine Schnelltestung durchführen. Immerhin muss versucht werden, dass eine Unterkunft nicht zum Hotspot wird. Auch könnte dadurch eine Gefährdung unserer Mitarbeiter eher verhindert werden. Ein großes Problem ist die fehlende Quarantänemöglichkeit für die Obdachlosen. Quarantäne wäre wichtig bei Ver-dacht, bis wir testen können, aber auch bei Erkrankten, die nicht stationär be-handelt werden müssen.

Natürlich vergessen wir nicht, dass fast alle unsere Patienten schwer chronisch krank sind und demnach zu einer Risikogruppe gehören. Bei diesen Erkrankun-gen, die für uns fast zum Alltag gehören, können wir wenigsten mit unseren medizinischen Möglichkeiten helfen, auch wenn oft nicht heilend, aber sicher lindernd. Ausführlich sind wir in unserem Mai-Brief auf unsere Arbeit während der ersten Welle eingegangen. Die heutigen Zeilen werden Ihnen deshalb zum Teil sicher bekannt vorkommen. Was wir damals geschildert haben, konnten wir auch bis heute fortsetzen. Froh sind wir, dass wir überhaupt arbeiten und helfen können.

Wie bei allen anderen Vereinen, die bei ihrer Arbeit nur auf Spenden angewie-sen sind, beobachten auch wir in diesem Jahr einen Spendenrückgang, den wir verstehen und nicht damit hadern. Wir freuen uns, dass vielen unserer Spende-rinnen und Spender es doch noch möglich ist, uns weiter helfen zu können.

Aller herzlichen Dank für Ihre Unterstützung, die unsere gesundheitliche Ver-sorgung von obdachlosen Menschen, neben der bestehenden Seuche, auch für die Zukunft ermöglicht.

Wir wünschen Ihnen vorerst, dass Sie von diesem Virus verschont und auch sonst gesund bleiben. Freuen Sie sich, trotz aller Einschränkungen, auf eine schöne und harmonische Adventszeit, die es vielleicht doch ermöglicht, uns auf ein Weihnachtsfest, das Fest der Liebe, einzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen​

Loretta Bös, Ute Feibicke-Vogt, Rolf Geiger, Axel Richter, Hannes Schadeberg