Unsere Arbeit
Warum ist Hilfe nötig?
Der unter Umständen sehr schnelle soziale Abstieg in die Wohnungslosigkeit, der eigentlich jeden treffen kann, führt zum sozialen Ausschluss. Es folgt einerseits Mutlosigkeit, Resignation, Scham und Einsamkeit, andererseits Aufbegehren, Zorn und Hass. Bei Frauen mit Gewalterfahrung kann es in absoluter Abkapselung enden. „Wie soll ein Amt, ein Arzt, ein Heim mir noch helfen können?“.
Es gibt jedoch auch die selbstgewählte Obdachlosigkeit, aus welchen Gründen auch immer.
Bei Obdachlosigkeit geht die Empfindsamkeit für den eigenen Körper verloren. Als Krankheit gelten nur noch frische Wunden, hohes Fieber und starke Schmerzen. Die chronisch offenen Füße werden oft gar nicht mehr wahrgenommen. Mangelnde Hygiene-Möglichkeiten verschlimmern alles.
Fehlende Kommunikationsmöglichkeiten, äußeres Erscheinungsbild, innere Unsicherheit und Scham, wie auch der Hund, einziger Freund und Begleiter, verhindern den normalen Sprechstundenbesuch bei einem Arzt.
Hinzu kommen finanzielle Probleme:
- Zuzahlungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel
- Salben, viele Verbandsstoffe und manche Medikamente, auch Brillen werden von den Krankenkassen nicht mehr bezahlt.
- Für Krankenhausaufenthalt oder Notfallbehandlung entstehen Kosten.
Eigentlich sollte nach dem Gesetz jeder krankenversichert sein. Aber ohne Obdach geht die Versicherungskarte verloren, manche kennen ihre Krankenkasse nicht. Wer jedoch hier illegal ist, hat keine Krankenversicherung. Und wer sich zwar legal aus dem EU-Raum hier aufhält, ist auch nicht automatisch krankenversichert. Dazu braucht es viele und komplizierte Anträge. Das ist für Obdachlose kaum zu schaffen.
Es ist nicht leicht für jemand, der in Jahren der Obdachlosigkeit das Vertrauen zur Umgebung verloren hat, sich wieder einem Fremden zu öffnen. Dies kann nur durch wiederholte, respektvolle Gespräche, durch Erläuterung der Krankheit, Abbau von Ängsten und Hemmungen gelingen. Nötig sind dafür auch die Begleitung zum Arzt.
Ohne den Willen und die Mitarbeit des Betroffenen ist jedoch keine Hilfe möglich. Deshalb ist es für unsere Mitarbeiterinnen und uns wichtig, alle unsere Arbeit kritisch und mit realistischen Vorstellungen anzugehen und auch Enttäuschungen zu akzeptieren.
Wie helfen wir?
Mitarbeiterinnen
Unser Förderverein hat die zwei Krankenschwestern Frau Feibicke-Vogt, Frau Otto und die Helferin Frau Nettmann in ihrer Mitte halbtags fest angestellt. Deren Aufgaben sind:
- Vertrauen aufzubauen
- Erste Hilfe leisten
- Hinweise, Anleitung und ggf. Hilfe bei der persönlichen Hygiene
- Krankheitssymptome zu erkennen und auf Krankheiten aufmerksam zu machen
- Überreden zu Behandlungen
- Vereinbaren von Arztterminen
- Begleiten zum Arzt und in die Ambulanzen
- Verständlich machen der Behandlung und Überreden dazu
- Sorgfältiges Richten und Ausgeben der verordneten Medikamente
- Wundverbände anlegen
- Testen
- Besuche im Krankenhaus
- Organisation und Assisten7 bei den ärztlichen Behandlungen
- Fahrten mit dem Pflastermöbil
- Organisation der Fußpflege
- Zusammenarbeit mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern
Während der Coronaepidemie konnten wir mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und einem mobilen Impfteam erreichen, dass bei den ersten drei Impfungen ungefähr jeweils 130 Obdachlose geimpft werden konnten. Unsere Mitarbeiterinnen testeten mehrere Monate in regelmäßigen Abständen die Bewohner des St. Ursulaheims.

Ehrenamtliche
Die regelmäßigen wöchentlichen ärztlichen Sprechstunden werden in der Wärmestube und bei Bedarf auch in der Ambulanz der Pflasterstube abgehalten. Die ehrenamtlich tätigen Ärztinnen Frau Dr. Haghir, Frau Dr. Widmann und Frau Dr. Ziehms leiten sie nach Absprache untereinander.
Herr Dr. Bauer, ebenfalls ehrenamtlicher Arzt fährt einmal wöchentlich mit einer Krankenschwester im Pflastermobil nach Lahr.




Ein großer Gewinn ist die ehrenamtliche Hilfe der Zahnärztin Frau Dr. Holst mit Ihrer Assistentin, die ihre mobilen Sprechstunden, Zahnbehandlungen und notwendigen Operationen in Offenburg, Kehl und Lahr durchführt. Ihre Akzeptanz und das aufgebaute Vertrauen erkennt man an den zunehmenden Zahlen ihrer obdachlosen Patienten.


In Achern betreut Herr Dr. Schwab eine Obdachlosenunterkunft. Nachdem in Kehl eine Anlaufstelle in der neuen Tagesstätte geschaffen wurde, zuvor war dies die Bahnhofsmission und das Pflastermobil am Bahnhof, können dort Frau Dr. Hillenbrand und Herr Dr. Aymanns die wöchentlichen Sprechstunden abhalten.
Materielle Hilfe
- Der Förderverein bezahlt bei verordneten Rezepten die gesetzliche Zuzahlung für Medikamente, Verbandmaterial, Heil- und Hilfsmittel.
- Er finanziert notwendige Fahrten zu Ärzten oder Kliniken.
- Er bezahlt einfache Brillen für Sehbehinderte.
- Für chronisch Kranke übernimmt er Organisation und Finanzierung einer Vorabbefreiung von den gesetzlichen Zuzahlungen.
- Bei Nichtversicherten übernimmt er, soweit dringend notwendig, die Kosten für Diagnostik und Therapie.
Dankeswerterweise muss hier aber erwähnt werden, dass mehrere Ärztinnen und Ärzte aus Solidarität diese „ Privatpatienten“, die nur mit unseren Spenden bezahlt werden können, mit einer eingeschränkten oder sogar ohne Rechnung behandeln.
Jeden Monat lädt der Förderverein zu einem intensiven Erfahrungsaustausch bzw. zu einem „Hock“ ein. Es nehmen dran teil die Mitarbeiterinnen der Pflasterstube, die ehrenamtlichen Ärztinnen und Ärzte, der Vereinsvorstand , die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der ambulanten und der stationären Hilfe der AGJ, aber auch Vertreter der zuständigen kommunalen oder karitativen Verantwortlichen für die Obdachlosenbetreuung aus Achern, Kehl, Lahr und Offenburg.